Zur Geschichte der Gemeinde Horst

Erstmals urkundlich erwähnt wird Horst 1128 mit der slawischen Bezeichnung „Colatza“ im Abgabenregister des Bistums Ratzeburg. Der Name geht zurück auf das slawische Geschlecht Kolacz, das Mitte des 12. Jahrhunderts bei der Landnahme unter den Herzögen Albrecht dem Bären und Heinrich dem Löwen mitwirkte. 1158 finden wir es in der Dotationsurkunde Heinrichs des Löwen für das Bistum Ratzeburg. Es handelt sich dabei um die grundlegende Urkunde für das Bistum, da darin die Gebiete, Rechte und Pflichten festgelegt werden. Das Dokument ist eine der wichtigsten Quellen für die Kolonisationsgeschichte unserer Region.

Der slawische Ursprung

Slawische Tonscherben vom Oldenburger Wall
Slawische Tonscherben vom
Oldenburger Wall

400 bis 500 Jahre zuvor, nach dem Abzug der germanischen Bevölkerung aus den Gebieten Ostholsteins, waren von Osten her die Slawen in das menschenleere Wald- und Ödland eingedrungen. Die Polaben, ein slawischer Teilstamm der Obotriten, deren Name „Elbbewohner“ bedeutet, kamen durch die Landenge zwischen Ratzeburger See und Schaalsee in unseren Raum und folgten bei der Landnahme den Fluss- und Bachläufen. Sie rodeten Waldstücke für das Siedlungsland und bevorzugten als Siedlungsorte leichte Bodenerhebungen inmitten von Talniederungen oder Gewässern. Oft waren sie durch Ringwälle gesichert.

Ein heute noch sehenswertes Zeugnis aus dieser Zeit stellt der Oldenburger Wall da, ein 7 Meter hoher Burgwall mit rund 60 Metern Durchmesser am südlichen Ortsrand von Horst. Zwischen der Burg und dem Oldenburger See lag eine offene, unbefestigte frühslawische Siedlung. In Kriegszeiten konnten ihre Bewohner Zuflucht innerhalb des Ringwalles suchen. Zum Stammesvorort entwickelte sich zu Beginn des 11. Jahrhunderts die erstmals 1062 erwähnte Burganlage Ratzeburg, nachdem die slawischen Ringwälle Farchau, Klempau, Oldenburg und Steinburg (bei Hammer) aufgegeben worden waren. Ratzeburg war fortan das Machtzentrum des Polabenlandes.

Die Kolonisierung und Christianisierung

Steinigung des Answerus und seiner Mitbrüder durch die slawische Bevölkerung
Steinigung des Answerus und
seiner Mitbrüder durch
die slawische Bevölkerung

Mit der Kolonisierung und Christianisierung zur Zeit Heinrichs des Löwen und der Errichtung der sächsischen Grafschaft Ratzeburg 1143 wurden die Slawen entweder aus diesem Gebiet vertrieben oder sie assimilierten sich mit den einwandernden Deutschen, die die von den Slawen besiedelten Ortschaften erweiterten und umwandelten. Eine andere Siedlungsstruktur und Wirtschaftsweise setzte sich durch: die slawische Feldgraswirtschaft, in der man weiter zog, wenn die Böden ausgelaugt waren, verschwand allmählich und die so genannte Felderwirtschaft mit seiner Fruchtfolge setzte sich durch. Auch die kirchlichen und rechtlichen Verhältnisse änderten sich grundlegend.

Die heutige Bezeichnung „Horst“ fand sich erstmals urkundlich 1323 in Kirchenbüchern, als das Domkapitel des Bistums Ratzeburg das sumpfige, bewaldete Gelände zwischen den Dörfern Kogel und Clotesfelde, die Horst genannt, ritterschaftlichen Grundherren überließ. Nach dem 30-jährigen Krieg fiel das gesamte Bistum Ratzeburg kraft des Westfälischen Friedensvertrages 1648 an Mecklenburg. Das Gut Horst blieb bis zum so genannten „Groß-Hamburg-Gesetz“ im Jahre 1937 mecklenburgisch.

Das Allodial-Gut Horst

Jahrhunderte lang stand das Allodial-Gut Horst unter dem Einfluss eines regen Eigentümerwechsels. Begünstigt durch seinen Status (Allod = Eigenbesitz), zogen dort Adels-, Patrizier- und Kaufherrenfamilien ein und aus, denn der Verkauf konnte ohne Einverständnis des Landesherren erfolgen. 1819 wurde die Familie von Treuenfels Besitzer des Gutes und ist es bis zum heutigen Tag. Friedrich Wilhelm von Treuenfels ließ 1864 das ehemalige Herrenhaus im niedersächsischen Fachwerkstil abreißen und an selbiger Stelle den zweigeschossigen, praktisch konstruierten, für damalige Verhältnisse schlichten Neubau errichten. In Neuhof östlich des Schaalsees, einem weiteren Besitz der Familie von Treuenfels, wohnte man, nach Alt Horst fuhr man zur Jagdzeit.

Nach dem 2. Weltkrieg

Flüchtlinge in Lauenburg
Flüchtlinge in Lauenburg

Mit dem Ende des 2. Weltkrieges ergoss sich ein nicht enden wollender Strom von mittellosen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den Ostgebieten auch in die Dörfer und Städte des Kreises Herzogtum Lauenburg. Zu Beginn des Jahres 1950 lebten hier 70 546 Einheimische und 82 744 Zugezogene, vor allem aus dem Raum östlich der Oder und Neiße. Die Zuweisung in Unterkünfte stellte die verantwortlichen Stellen und Helfer vor fast unlösbare Probleme, da die vorhandenen Häuser, Wohnungen und Gehöfte für die Unterbringung einer so großen Zahl von Menschen nicht ausreichend waren. Viele Heimatlose mussten zusammengepfercht in Baracken und Massenlagern vegetieren. Der Hunger trieb jung und alt im Spätsommer und Herbst auf die abgeernteten Felder, um Ähren zu lesen und nach Kartoffeln zu suchen. Der Flüchtlingsstrom ließ auch die Einwohnerzahl des Gutes Horst von 193 im Jahre 1939 auf über 400 in den ersten Jahren nach Kriegsende anwachsen und das, obgleich es die Ortsteile „Am Wall“ und „Am Käsel“ noch gar nicht gab.

Die Aufsiedlung von Neu Horst

Neu Horst am Wall im Bau 1952
Neu Horst am Wall im Bau 1952

1947 wurde das Vorwerk Neu Horst, das dem Gut als Meierei gedient hatte und über eine Wirtschaftsfläche von gut 400 ha verfügte, im Rahmen der damaligen Bodenreform neu aufgeteilt. Die Schleswig-Holsteinische Landgesellschaft ließ an zwei getrennten Orten („Am Wall“ und „Am Käsel“) 21 Hofgebäude und 10 Gebäude für den Nebenerwerb errichten. Den Vollerwerbsstellen wurden 18- 20 ha Land , den anderen je 2,5 ha zugeordnet. Eine Kommission wählte unter den Hunderten von Bewerbern für die neuen Höfe vorzugsweise kinderreiche Familien, vertriebene Landwirte, insbes. „Schaalseebauern aus, die durch die Grenzkorrektur und den damit verbundenen Gebietstausch von mecklenburgischem und lauenburgischem Gebiet durch die britischen und russischen Besatzungsmächte ihre Höfe aufgegeben hatten, aber auch ehemalige Gutsarbeiter und Gegner des Naziregimes. Diese Aufsiedlung veränderte die ursprüngliche dörfliche und landwirtschaftliche Struktur von Horst maßgeblich.ab.

Den neuen Eigentümern wurden die Gebäude, alle in der gleichen Bauweise, bestehend aus Wohnteil, Stallung und Scheune nahezu im Rohbauzustand übergeben. Es gab noch keine Stromversorgung, die Wege waren entweder unbefestigte Feldwege oder Acker. Fast alles musste noch mit Pferdefuhrwerken bewerkstelligt werden, sodass man in der nassen Jahreszeit im Morast versank. Jeder Familie wurde ein Kredit von 13.000,- DM gewährt, der knapp ausreichte, um 12 Kühe, 2 Pferde und 20 Schweine und einige Gerätschaften anzuschaffen. Die größeren Maschinen wurden zunächst gemeinschaftlich angeschafft und genutzt.

Die Aufsiedlung von Neu Horst Die Aufsiedlung von Neu Horst

 

Die Gemeinde entwickelt sich

Landarbeitereigenheime in Alt Horst erbaut um 1960
Landarbeitereigenheime in Alt Horst
erbaut um 1960

Der Anfang war schwierig und mühsam, aber unter den gegebenen Voraussetzungen konnte ein allmählicher Aufbau und die Entstehung einer lebendigen Gemeinde gelingen. 1951 wurde die Horster Feuerwehr gegründet, zunächst noch in einem Kuhstall untergebracht, 1978 dann im neuen Gemeinschaftshaus am Lehmrader Weg, das seitdem zum kulturellen Mittelpunkt der Gemeinde wurde. 1974 entstand dann die Spiel- und Sportgemeinschaft zusammen mit der Gemeinde Brunsmark. Dem Gemeinderat, den es bereits seit den 20er Jahren gibt, saß bis ins Jahr 1974 ein Vertreter der Familie von Treuenfels vor, danach übernahm Günther Neuber (Landwirt) bis 2009 diese Aufgabe. 1996 wurden in seiner Amtszeit alle Grundstücke an eine zentrale Abwasserentsorgung angeschlossen. Mit der gleichen Baumaßnahme wurde auch die Frischwasserversorgung, wie auch der Anschluss der Grundstücke (nach Bedarf) an die mitverlegte Erdgasleitung durchgeführt. Nach einer mehrjährigen Planungphase mit Landschafts-, Flächennutzungs- und Bebauungsplan sind inzwischen 8 neue Bauplätze in Neu Horst am Wall entstanden, die der Weiterentwicklung der Gemeinde Rechnung tragen sollen.

Horst heute

Der Wandel des Dorfes über einen Zeitraum von gut 60 Jahren zeigt sich vor allem darin, dass von 21 Höfen heute nur noch 4 bewirtschaftet werden, eine Entwicklung, wie sie allgemein in der Landwirtschaft zu beobachten ist. Ein Teil der Gehöfte wurde umgebaut, um der nachfolgenden Generation Wohnraum zu schaffen, in anderen entstanden Miet- oder auch Ferienwohnungen. Weitere Siedlungshäuser, aber auch ganze Höfe wechselten den Besitzer oder wurden zu sog. Resthöfen, bei denen das zugehörige Land verkauft wurde. Menschen aus den städtischen Räumen siedelten sich an und veränderten allmählich die ursprüngliche Bewohnerstruktur.

Eine gute Mischung aus einheimischen und zugezogenen Bürgern prägt inzwischen das dörfliche Leben. Die kulturellen Eckpfeiler bilden die aktive, modern ausgerüstete Feuerwehr, die Spiel- und Sportgemeinschaft Horst/Brunsmark, und mit dem seit 1998 bestehenden Theater im Stall“ erhält Horst weit über seine Grenzen hinaus Geltung. Das „Seminar- und Gästehaus Hof Kranichmoor“ bietet Raum für therapeutische, gesundheitsfördernde und künstlerische Arbeit. Mit einer Reihe von Ferienwohnungen hat die Gemeinde auf den wachsenden Tourismus in der Region reagiert, eine Entwicklung, die sich auch in der Zukunft noch verstärken wird. Horst ist für diese Entwicklung bestens gerüstet: es ist mit seinen naturnahen Wäldern, Bachläufen, artenreichen Feuchtgebieten, dem Pinnsee und vor allem dem Oldenburger See als Rastplatz für eine große Zahl von durchziehenden Kranichen ein ausgesprochen attraktiver Teil des Naturparks Lauenburgische Seen.

Zusammengestellt von Wilhelm Körner

Quellen- und Literatur

Werner Budesheim: Die Entwicklung der mittelalterlichen Kulturlandschaft des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg, Schriftenreihe der Stiftung Herzogtum Lauenburg,

Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins. Gesellschaft für Geschichte Schleswig-Holsteins,
Richard Ehrich: Landwirtschaftliche Organisation und Verwaltung im Kreis Herzogtum Lauenburg seit dem Ende des 1. Weltkrieges

Hubertus Neuschäffer, Schlösser und Herrenhäuser in Lauenburg, Verlag Weidlich Würzburg 1987

Hartwig Fiege, Wie Ostholstein und Lauenburg deutsch wurden, M+K Hansa-Verlag, 1979